ODER
Mit der Ausbildung als Kürschner wirst du zum Azubi für alle Felle. Das ist kein Rechtschreibfehler, sondern das Arbeitsmaterial, mit dem du es zu tun hast. Obwohl der Kürschner einer der ältesten Handwerksberufe ist, wissen immer weniger Menschen, was es damit auf sich hat. Pelznäher gibt schon eher einen Hinweis darauf, was sich hinter diesem Beruf verbirgt: Du verarbeitest Felle und hältst die Pelzindustrie auf Trab. Als Azubi solltest du handwerkliche Begabung und Kreativität in dir vereinen. Denn du musst dein vorliegendes Material nicht nur ausbessern und zusammennähen, sondern auch Modetrends umsetzten können. Bei den Aufgaben, die das Kürschnerhandwerk mit sich bringt, schadet es keineswegs, wenn auch du ein dickes Fell hast –besonders in der Hauptsaison, wenn ein Mantel nach dem anderen hergestellt wird, ist Fleißarbeit gefragt.
Die Schürzeist angelegt, der lange Arbeitstisch steht bereit und in der Hand hältst du ein Kürschnermesser. Was dir jetzt noch fehlt, um mit der Arbeit zu beginnen, ist das Fell. Ob Mützen, Mäntel, Westen oder sogar eine Stola – Kleidungsstücke aus Pelz werden in sorgfältiger Handarbeit angefertigt. Das passende Materialbekommst du vom Großhändler, von Jägern oder sogar auf Auktionen – den Rest erledigst du selber. Die erste Aufgabe, die auf dich zukommt, nennt sich anbrachen. Du könntest es auch als Makeover bezeichnen, das du am Fell vornimmst: Du besserst Mängel aus, achtest aber gleichzeitig darauf, die Gleichmäßigkeit der Haare nicht zu zerstören. Wenn alles glänzt und keine Schadstellen mehr zu sehen sind, beginnst du mit dem Schneiden. Wundere dich nicht, dass du dich dabei am ganzen Alphabet orientierst: vom A- bis W-Schnitt kommt alles vor. Dass du beispielsweise den M-Schnitt bei Fellarten mit großen Farbunterschieden anwendest, lernst du schon ab dem ersten Ausbildungsjahr. Genauso wie du die Heftzwecke kennst, weiß auch jeder Kürschner und jede Kürschnerin, was mit Zwecken gemeint ist: Du schnappst dir die Zweckzange und befestigst das Material mit Stecknadeln auf einer Arbeitsplatte, um es glatt zu spannen und eventuell zu dehnen.
Zu diesem Zeitpunkt ist das fertige Kleidungstück aber noch in weiter Ferne. Einen Schritt näher bringt dich deine Arbeit als fleißiges Schneiderlein. Erst wenn du ein Fell geschickt zusammengenäht hast, kann daraus ein Mantel oder sogar ein Wohnaccessoire wie eine Pelzdecke oder ein Kissen werden. Der Kürschner benutzt dafür entweder Pelznähmaschinen oder verarbeitet die Pelzkleidung sogar per Hand. Zwischendurch fertigst du Schnittmuster an und bist nicht selten der Mode-Meister des Hauses, denn du musst ein Auge dafür haben, welche Felle kombiniert werden können und welche Farben am besten zusammenpassen. Manchmal, wenn auch seltener, fügst du auch ein ganz anderes Material hinzu, zum Beispiel Leder. Dabei handelt es sich vielleicht um einen Sonderwunsch eines Kunden, den du vorher beraten hast. Da Pelzmäntel und -mützen besonders im Winter schön warmhalten, wundert es niemanden, dass du gerade in dieser Zeit viel zu tun hast. Deswegen fällt in den Wintermonaten schon mal die eine oder andere Überstunde in der Kürschnerei an. Im Sommerdarfst du dich zwar nicht auf die faule Haut legen, dafür ist im Betrieb aber weniger los. In diesen Monaten kannst du deine Überstunden abfeiern und konzentrierst dich mehr auf die Pflege und Reparatur der Kleidungsstücke.
Früher hat der Kürschner keine fertigen Felle geliefert bekommen, sondern musste diese selber herstellen. Da für die Verarbeitung Wasser unverzichtbar war, musste er seinen Arbeitsplatz in die Nähe von Gewässern an den Stadtrand verlegen. Im Jahr 2016 musst du dir um so etwas keine Sorgen machen. Freie Ausbildungsplätze findest du beispielsweise in einer Kürschnerei, in Pelzfachgeschäften oder in Werkstätten, die überall in der Stadt verstreut sind.
Während deiner Ausbildungsdauer von drei Jahren wird dir aber nicht nur im Betrieb beigebracht, wie sich beispielsweise Zacken schneiden und Felle verwerten lassen. Da es sich um eine duale Ausbildung handelt, erlernst du praktische Vorgehensweisen und weiteres Wissen rund um die Pelzverarbeitung auch in der Berufsschule. Da es jährlich weniger als 20 Azubis gibt, wird diese traditionelle Fachrichtung nur an wenigen Berufsschulen angeboten. Bei insgesamt 11 Wochen Blockunterricht besuchst du ungefähr vier Mal im Jahr für mehrere Wochen am Stück die Schule. Für die Unterbringung und die Verpflegung ist in dieser Zeit ebenfalls gesorgt.
Die Top-Themen in der Schule reichen von mathematischen Berechnungen, damit auch die Jackengröße stimmt, bis zum Tierschutz. Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen kann dann schon mal zu deiner Gute-Nacht-Lektüre werden. Es ist deswegen so wichtig, weil du nicht jeden Pelzverarbeiten oder verkaufen darfst. Der Luchs und Jaguar sind nur zwei Beispiele, die unter Artenschutz stehen. Als Kürschner musst du Pelze von A wie Alpaka bis Z wie Zobel kennen und bestens über den Tierschutz und die Herkunft deines Materials informiert sein. Mit diesen Bestimmungen ist nämlich nicht zu spaßen, weil du dich sonst sogar als Azubi strafbar machst. Hat dich die duale Ausbildung erst zum richtigen Pelzkenner gemacht, legst du deine Abschlussprüfung bei der zuständigen Handwerkskammer ab.
Ein bestimmter Schulabschluss wird für die Ausbildung als Kürschner nicht verlangt, was aber nicht bedeutet, dass auch jeder Faulpelzeingestellt wird. Denn mit einem einfachen „Schnipp, schnapp, Fell ab“ ist es in diesem Ausbildungsberuf nicht getan. Zum einen sind mathematische Grundkenntnisse unverzichtbar, beispielsweisebei der Bestimmung des Schnittwinkels oder der Berechnung der Gesamtschnittlänge. Zum anderen schadet ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen nicht, um vor deinem inneren Auge sehen zu können, wie sich ein Schnittmuster als fertiger Mantel machen würde. Für die Anfertigung brauchst du nicht nur das passende Material, sondern vor allem handwerkliche und zeichnerische Fähigkeiten. Zwar bist du in deiner Ausbildung als Kürschner kein typischer Designer, aber Modetrends solltest du trotzdem verfolgen. Extravagante Kundewünsche mit ungewöhnliche Fell- und Farbkombinationen sind nämlich keine Seltenheit.
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