Hallo,
ich bin angehende Rechtspflegerin und studiere im Moment an der Hochschule für Rechtspflege in Schwetzingen. Man nennt uns auch "Rechtspflegeranwärter". Das ist nämlich unsere offizielle Dienstbezeichnung, da wir während der Ausbildung als Beamte auf Widerruf im gehobenen Dienst eingestellt sind.
Ich komme gerade frisch aus der "Praxis", d.h. ich war nun ein Jahr lang an einem Gericht in der Nähe von meinem Heimatort (OLG Bezirk Stuttgart) und durfte dort Eindrücke aus dem Berufsleben eines Rechtspflegers sammeln und das Erlernte aus dem ersten Studienjahr, welches ich ebenfalls in Schwetzingen verbracht habe, anwenden.
An unserem ersten "Arbeitstag" ist mir aufgefallen, dass wir (d.h. mein netter Studienkollege und ich) sehr freundlich bei unserem Gericht aufgenommen und als vollwertige Kollegen betrachtet wurden. Es gab zuerst eine kleine Einführung und Vorstellungsrunde, um sich schneller und besser im Gebäude zurecht zu finden.
Wir bekamen einen Ausbildungsplan, welcher uns aufzeigte, in welchen Zeiträumen wir wo eingeteilt sind. Als erstes begannen wir auf der Zivilabteilung, dieser Abschnitt dauerte 3 Wochen lang. Zum ersten Mal bekamen wir richtige Akten in die Hand mit echten Anträgen der Rechtsanwälte und durften diese selbstständig bearbeiten. Die "Fälle" wurden vorher und/ oder nachher mit der Ausbilderin besprochen. Es war schön, nicht gleich bei der ersten Ausbildungsstation in das "kalte Wasser" geworfen zu werden.
Es folgten die Zwangsvollstreckungsabteilungen. Hier durften wir z.B. selbstständig und mit Hilfe des Ausbilders Zwangsversteigerungstermine vorbereiten und auch selber abhalten. Dass uns das gleich zugetraut wurde, selber so einen Zwangsversteigerungstermin führen zu dürfen, war echt super.
Danach durchliefen wir Abteilungen, wie die Familienabteilung, Strafabteilung, Rechtsantragsstelle, Beratungshilfe und die Nachlass- und Betreuungsabteilung. Für bestimmte Abteilungen die zentralisiert wurden, mussten wir in andere Städte oder Gebäude wechseln. Zum Beispiel für die Staatsanwaltschaft, das Grundbuchamt, das Handelsregister oder das Insolvenzgericht.
Während dem Praxisjahr ist einmal pro Woche der sogenannte "Begleitlehrgang". Dieser dient dazu, den theoretischen Stoff passend zu den verschiedenen Abteilungen gelehrt zu bekommen und hauptsächlich, dass man es nicht verlernt zu lernen. Es werden verteilt über das Praxisjahr in diesem Begleitlehrgang Klausuren geschrieben. Unter Absprache mit dem jeweiligen Ausbilder, kann der zur Verfügung stehende Urlaub beliebig genommen werden. Während den Theoriephasen (Studium I und II) wird die vorlesungsfreie Zeit von der Hochschule vorgegeben.
Nach diesem Jahr sind viele Begrifflichkeiten, die man oft im ersten Studienjahr gehört hat und womit man damals nicht viel anfangen konnte, verständlich geworden. Insgesamt fand ich das Jahr sehr spannend und lehrreich. Die Zeit ging sehr schnell vorbei.
Zum Studienjahr 1 ist zu sagen, dass man schnell in das Themengebiet "Recht" eingeführt wird. Es wird zwar viel Stoff vermittelt, aber wenn man dran bleibt und nacharbeitet ist das gut machbar. Die Dozenten geben sich Mühe, die Lerninhalte verständlich zu erklären. Gut finde ich, dass man immer nachfragen kann, wenn man etwas nicht verstanden hat, da es kleinere Lerngruppen sind (ca. 30 Leute in einer Gruppe). Toll ist auch, dass man in einem Schloss ausgestattet mit einem großen Schlossgarten und modernster Technik studiert. Als Student ist der Zutritt in den Garten kostenlos.
Mannheim und Heidelberg sind von Schwetzingen auch nicht weit weg, somit gibt es viele Möglichkeiten nach "Feierabend" noch etwas zu unternehmen.
Klausuren werden immer am Ende eines Moduls geschrieben. Die meisten sind allerdings im Sommer gegen Ende des ersten Jahres (Mai/Juni). Das erste Jahr dauert von September bis Ende Juli. Der komplette August ist frei.
Die ersten zwei Tage bevor es nach Schwetzingen geht, sind die Rechtspflegeranwärter bei einem Gericht in Heimatnähe eingeteilt. Dort bekommen sie alle wichtigen Dokumente und Informationen.
Leider gibt es im Moment keine Wohnheime oder ähnliches. Das heißt, dass die Studierenden größtenteils in privat vermieteten Wohnungen oder WGs unterkommen. Hierfür gibt es aber eine Liste mit Anbietern in der Umgebung, damit die passende Wohnung schnell gefunden werden kann. Das Studierendenwerk Heidelberg stellt außerdem vergünstigte "Essensmarken" zur Verfügung, welche in der Mittagspause bei den anliegenden Restaurants eingelöst werden können.
Das Auswahlverfahren beginnt bereits im Oktober für den Einstellungstermin im Folgejahr. Die Frist endet in der Regel am 15. Februar. Die Bewerbung wird per Onlinebewerbung eingereicht. Im ersten Schritt wird zum Textverständnistest eingeladen. Wenn dieser bestanden wird, findet zu einem späteren Zeitpunkt ein Auswahlgespräch statt. Das Auswahlgespräch besteht aus einem Einzelinterview (Dauer ca. 30 Minuten).
Ich hoffe, ich konnte Euch einige hilfreiche Eindrücke verschaffen und wünsche Euch viel Erfolg im Studium :)
Liebe Grüße
Natalia
Hallo,
ich studiere derzeit in meinem letzten Jahr als Gerichtsvollzieheranwärter an der Hochschule für Rechtspflege in Schwetzingen und hoffe, dass ich euch einen kleinen Einblick in das Studium vermitteln kann.
Für mich ging es im September 2018 endlich los. Das Studium zum Gerichtsvollzieher (LL.B.) hat begonnen. Doch bevor das erste Jahr Theorie an der Hochschule startete, verbrachten wir zwei Tage bei unserem zuständigen Oberlandesgericht – in meinem Fall dem OLG Stuttgart. Hier wurden wir vereidigt und erhielten neben zahlreichen wichtigen Informationen bereits einen ersten Einblick in das Büro einer ansässigen Gerichtsvollzieherin.
In Schwetzingen angekommen, starteten wir mit einer Einführungswoche. Diese beinhaltet die Einführung in das Recht und den Umgang mit dem Gesetz. Anschließend begannen die ersten Vorlesungen. Neben Zivilprozessordnung, Zustellung und Einzelzwangsvollstreckung, die für den Gerichtsvollzieher wohl mit die wichtigsten Rechtsgebiete sind, zählen hierzu beispielsweise auch Handels- und Gesellschaftsrecht, Familienrecht und Schuldrecht (Ein genaueres Bild über alle zu vermittelnden Inhalte kann man sich mit dem Modulhandbuch des Studiengangs verschaffen → Seite der Hochschule).
Im ersten Jahr finden sieben Modulprüfungen statt. Diese sind zeitlich gesehen recht angenehm aufgeteilt, sodass man sich auf die jeweiligen Prüfungen sehr gut vorbereiten kann. Ebenfalls zur Vorbereitung werden im Unterricht viele Übungsfälle gelöst und eine Übungsklausur zeigt einem den Umfang einer Klausur auf.
Ausgleich zum Hochschulalltag findet man bei unterschiedlichen Freizeitaktivitäten, die sich einem durch die günstige Lage in der Nähe von Heidelberg und Mannheim auftun. Das erste Jahr in Schwetzingen wurde, wie jedes Jahr, mit dem Sommerfest der Hochschule beendet.
Nach der vorlesungsfreien Zeit im August ging es mit einem spannenden Jahr in der Praxis weiter. Bevor es zu den Gerichtsvollziehern/-innen geht, absolviert man einen circa 11-wöchigen Umlauf am Amtsgericht. Die jeweiligen Amtsgerichte werden hierbei in der Regel wohnortnah zugeteilt. Der Umlauf beinhaltet hauptsächlich Abteilungen, mit denen der Gerichtsvollzieher Berührungspunkte hat.
Ab Mitte/ Ende November startet die wohl aufregendste Zeit des Studiums. Neben der Büroorganisation und dem Führen der Dienstregister und Kassenbücher, unter Aufsicht der Praxisausbilder, warten die ersten Außendienste, Termine im Büro und Räumungen auf einen. Durch die Interaktion mit den unterschiedlichsten Menschen, seien es Gläubiger, Schuldner oder Anwälte, ist dabei kaum ein Tag wie der andere.
Die Zeit in der Praxisphase vergeht hierbei wie im Flug und wird nur durch die Rückkehr an die Hochschule im Februar unterbrochen. Zur Vorbereitung auf die Bachelor-Arbeit, die im dritten Jahr des Studiums stattfindet, ist hier eine Seminararbeit anzufertigen.
Zurück in der Praxis findet in der Regel etwa Mitte April ein Wechsel der Ausbilder statt. Inzwischen kann man im Büro selbstständig mitarbeiten und darf auch mehr Verantwortung und Aufgaben übernehmen. Häufig wird einem auch die Planung für die Außendienste oder die Terminplanung anvertraut.
Genau wie das 1. Studienjahr findet auch das dritte wieder in Schwetzingen statt. Hierfür ist es ratsam, sich aufgrund der etwas angespannten Wohnsituation, seine Wohnung aus dem ersten Jahr gleich wieder zu reservieren. Ein Studentenwohnheim gibt es derzeit in Schwetzingen nicht. Bei der Hochschule kann man jedoch eine Vermieterkartei anfragen, auf der zahlreiche privat zu vermietende Zimmer gelistet sind.
Liebe Grüße und viel Erfolg bei eurem Studium.
Jan
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