Lea Steinhaus ist 20 Jahre alt und absolviert ihre Ausbildung zur Hörakustikerin in einem Mitgliedsfachbetrieb der HÖREX in Ribnitz-Damgarten. Wir haben uns mit ihr über ihre Erfahrungen ausgetauscht.
Lea Steinhaus: In der Oberstufe kam die Frage auf, was ich nach dem Abitur machen möchte. Ein reines Studium kam nicht infrage, weil ich gerne direkt praktisch arbeiten wollte. Ich habe mich im Internet informiert und dann auf mehrere Stellen im medizinisch-technischen Bereich beworben.
Mein heutiger Betrieb hat mir eine schnelle Rückmeldung gegeben und mich zu einem Probetag im Fachgeschäft eingeladen. Dadurch konnte ich bereits einen guten Eindruck über den Berufsalltag und den Betrieb gewinnen. Mir war es wichtig, in einem mittelständischen Betrieb zu arbeiten. Das Ausbildungsmodell mit der Kombination von Praxis und Theorie mit Berufsschule vor Ort in Lübeck hat mich außerdem sehr angesprochen.
Jeder Tag sieht anders aus und ich habe viel Abwechslung! Grundsätzlich teilt sich der Arbeitsalltag in zwei Bereiche auf: den handwerklichen und den sozialen Teil. Zu den handwerklichen Tätigkeiten zählt die technische Anpassung von Hörgeräten, sowie die Auswahl von Otoplastiken und Hörsystemen. Auf der anderen Seite steht der Kundenkontakt, also die Auseinandersetzung mit Kundenwünschen und Erwartungshaltungen. Im Dialog versuche ich stets, die bestmögliche Lösung für die Kunden zu finden. Abhängig vom Beratungs- und Betreuungsaufwand der Kunden variiert die Gewichtung der beiden Bereiche.
Eine Grundvoraussetzung ist ein gewisses Maß an Einfühlungsvermögen. Wir verkaufen etwas, das eigentlich keiner haben möchte. Deshalb ist es in unserem Beruf besonders wichtig, mit Fingerspitzengefühl an die Kunden heranzutreten, ohne belehrend zu sein. Die technischen und handwerklichen Aspekte des Berufs kann man sich über die Zeit der Ausbildung gut aneignen, das zwischenmenschliche Miteinander und Verständnis für die Kunden sollte man mitbringen.
Für den Beruf muss man meiner Meinung nach kein guter Verkäufer an sich sein. Es geht eher darum, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen – mit den Preisvorstellungen der Kunden und den Bedürfnissen, die an die Hörsysteme gestellt werden. Dafür ist es wichtig, den Kunden wirklich in den Prozess mit einzubeziehen.
Der Erstkontakt mit Neukunden mit einem Hörtest und einer Bestandsaufnahme beim Kennenlernen macht mir am meisten Spaß. So entsteht eine Bindung zum Kunden, das ist für mich sehr erfüllend. Zu merken, dass sich Vertrauen entwickelt und der Kunde das Gefühl bekommt, dass ich ihn gerne unterstützen möchte. Mein Highlight ist das Gefühl, eine sinnstiftende Tätigkeit zu haben!
Bei uns im Betrieb zeigt der Chef erst etwas Praktisches und erläutert anschliessend die Theorie. Dabei wird z. B. auf technische Eigenschaften eingegangen. Der Unterricht in Lübeck vertieft die Theorie und rundet das Verständnis ganzheitlich ab. Hinzu kommen Erfolgskontrollen in jedem Unterrichtsblock.
In den acht Blöcken lernen wir sehr viel, was wir später in der Praxis und im Arbeitsalltag gut anwenden können. Außerdem haben wir in Lübeck die Möglichkeit, zusätzliche Praxiskurse zu belegen – wie beispielsweise den Otoplastik-Praxisunterricht und überbetriebliche Lehrlingsunterweisungen, bei denen wir z. B. 3D-Modeling lernen.
Manche Kunden denken, dass wir nur verkaufen wollen. Aber wir versuchen mit den Kunden gemeinsam, das beste Gerät für ihre individuellen Bedürfnisse zu finden. Das ist echte Teamarbeit! Ein weiteres Vorurteil ist, dass wir nur mit älteren Menschen arbeiten. Das stimmt nicht: Es gibt z. B. die Pädakustik, das ist die Versorgung von Kindern. Außerdem können Hörminderungen nicht nur erworben, sondern auch vererbt werden. Viele unserer Kunden sind Mitte 20 und müssen medizinisch mit einem Hörsystem versorgt werden. Hörgeräte sind keine Nischenprodukte, wir versorgen Menschen über alle Altersgruppen hinweg.
Da der Beruf viel mit Senioren in Verbindung gebracht wird, gab es auch ein paar Vorurteile. Allerdings bin ich auch auf viel Interesse gestoßen, weil der Beruf in unserer Altersgruppe noch sehr unbekannt ist.
Ein richtig schöner Moment war für mich meine erste Anpassung, die ich komplett allein durchgeführt habe. Das hat mir richtig Spaß gemacht und war ein tolles Erfolgserlebnis!Das größte Kompliment von den Kunden/-innen ist, wenn sie nicht merken, dass ich noch in der Ausbildung bin. Oder wenn ein Mensch vor mir sitzt, der nach vielen Jahren der Schwerhörigkeit wieder ein Leuchten in den Augen hat, weil er wieder hören kann. Das sind wirklich sehr schöne Momente!
Wenn ich an meine ganzen Erfolgserlebnisse denke, auf jeden Fall! Man lernt immer dazu, sammelt täglich Erfahrungen und hat viel Abwechslung mit neuen Menschen – das ist sehr spannend. Für den Beruf muss man aber auf jeden Fall eine gewisse Einfühlsamkeit mitbringen, deshalb würde ich es nicht pauschal jedem empfehlen. Die Mischung aus technischem Interesse und sozialer Kompetenz ist wichtig.
Hörakustik ist für mich kein Beruf, sondern eine Berufung! Wir sind keine Verkäufer für Hörgeräte, sondern wir geben Lebensqualität zurück und schenken den Menschen wieder mehr Selbstbewusstsein.
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