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#AZUBI-LIFE
7.11.2024

„Lehrjahre sind keine Herrenjahre": So gehst du mit dem Spruch um!

Kaum in der Ausbildung, schon heißt es: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre!“ Aber was heißt das eigentlich? Wir nehmen den Satz mal unter die Lupe und geben dir Tipps, wie du selbstbewusst damit umgehen kannst.


Hast du den Satz „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ auch schon gehört? Vielleicht vom Chef oder der Chefin, den Eltern oder Kollegen? Klar, der Spruch ist bekannt – aber mal ehrlich, wirklich motivierend klingt das nicht. Und was ist damit überhaupt gemeint?

Was bedeutet „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“?

Den Spruch „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ gibt es schon ziemlich lange – bestimmt haben ihn schon deine Großeltern während ihrer Ausbildung zu hören bekommen. Damit meinte man, dass Azubis hart arbeiten und sich unterordnen müssen. Eine hohe Ausbildungsvergütung gab es nicht. Stattdessen musste man sich beweisen und alles über sich ergehen lassen. Das heißt: von morgens bis abends schuften und die Aufgaben machen, auf die Arbeitskollegen keine Lust hatten. Sich beschweren? Daran war nicht zu denken. Wie gut, dass sich Zeiten ändern, oder?

Warum der Spruch nicht cool ist

Der Spruch „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ ist ein bisschen wie ein Relikt aus alten Zeiten. Trotzdem hören ihn Azubis heute auch noch. Wirklich zeitgemäß ist er aber nicht mehr, und zwar aus folgenden Gründen:

  1. Er klingt nach einer Ausrede, damit Azubis niedere Aufgaben übernehmen.
    Der Spruch rechtfertigt oft Tätigkeiten, die nichts mit der Ausbildung zu tun haben, z. B. Zigaretten für Mitarbeitende und Chefs holen, Kaffee kochen oder die Toilette putzen. Einen Lerneffekt gibt es dann nicht. 
  2. Er stellt Azubis als „weniger wert“ dar.
    Der Spruch vermittelt, dass sich Auszubildende unterordnen müssen und keine Ansprüche haben dürfen. Mit einer modernen Arbeitswelt, die Respekt und Gleichberechtigung fördert, hat das nichts zu tun. Jeder verdient es, fair behandelt und wertgeschätzt zu werden.
  3. Er fördert eine veraltete „Durchhaltementalität“.
    Die Ausbildung sollte keine „Leidenszeit“ sein, die man einfach überstehen muss. Mit Angst lernt man nämlich nicht unbedingt besser. Die Ausbildung wird dich auf jeden Fall herausfordern, aber man sollte nicht die eigene Belastungsgrenze überschreiten. Viel eher sollten Probleme angesprochen und Lösungen gefunden werden. 
  4. Er vermittelt das Bild, dass „alles so wie immer“ gemacht werden muss.
    Berufsanfänger bringen oft Ideen, Energie und neue Perspektiven mit. Der Spruch suggeriert aber, dass sie erst „ganz unten“ anfangen müssen, ohne Einfluss und ohne Mitspracherecht. Diese Haltung nimmt Azubis oft das Gefühl, dass ihre Ideen und ihre Motivation geschätzt werden.
  5. Er ist schlichtweg veraltet.
    „Ich musste da damals durch, deshalb musst du das auch!“ Das steckt oft dahinter, wenn Ausbilder:innen ihre Azubis schlecht behandeln. Die Arbeitswelt hat sich aber weiterentwickelt – und damit auch das Verständnis davon, was eine gute Ausbildung ausmacht. Und nur, weil man selbst mies behandelt wurde, heißt es nicht, dass Azubis das Gleiche erleben sollten.
  6. Er ignoriert, dass auch Azubis Rechte haben.
    Viele Azubis wissen mittlerweile, welche Rechte sie haben – und das ist gut so. Der Spruch impliziert jedoch, dass Azubis stillhalten und nicht anspruchsvoll sein sollen. Dabei haben sie gesetzlich geregelte Rechte, z. B. was Arbeitszeiten, Pausen und Lerninhalte angeht. Das darfst du auch einfordern!

Typische Aufgaben, die du leider mal machen musst

Ja, eine Ausbildung sollte dich fordern und dir den Beruf näherbringen. Trotzdem gehören auch mal ein paar langweilige Aufgaben dazu, vor allem am Anfang: 

  • Material vorbereiten: Papier nachfüllen, Werkzeug oder Materialien organisieren. Das gehört oft dazu, weil es Teil der Routine ist.
  • Kleinigkeiten aufräumen: Ordnung im eigenen Bereich oder im Team halten – da muss man dann auch mal den Mülleimer ausleeren. 
  • Papierkram erledigen: Gerade zu Anfang bekommt man oft leichtere Aufgaben, um sich in den Ablauf einzuarbeiten. Das ist auch okay, solange sie zum Lernziel beitragen. Auch Zettel kopieren oder Akten vernichten ist Teil des Arbeitsalltags. 
  • Telefonieren: Anrufe entgegennehmen, Weiterleitungen machen und einfache Anfragen bearbeiten. Auch das gehört oft zum Einstieg dazu und hilft dir, deine Kommunikationsfähigkeiten zu trainieren.

Machst du aber über Monate nichts anderes als diese Aufgaben, solltest du mal nachfragen, was da los ist!

Aufgaben, die gar nicht gehen

  • Unangemessene Putzdienste: Klar, Ordnung ist wichtig. Aber Azubis sollten nicht dauerhaft die Kaffeeküche oder Toiletten putzen müssen. 
  • Private Besorgungen für Vorgesetzte oder Kollegen: Wenn der Chef bzw. die Chefin den Azubi schickt, um private Einkäufe zu erledigen, ist das ein No-Go.
  • Übermäßige körperliche Arbeit: Klar, es gibt Berufe, die körperliche Tätigkeiten erfordern. Aber schwere, riskante Aufgaben nur auf Azubis abzuwälzen, ist unfair und solltest du hinterfragen. 
  • Aufgaben, für die du nicht angeleitet wurdest: Du machst eine Ausbildung im Einzelhandel und musst ohne Betreuung sofort an der Kasse sitzen? Das geht nicht. Du hast ein Recht darauf, dass dir jemand zeigt, wie das funktioniert.

Egal, welche Aufgaben du machst, es ist nie in Ordnung, wenn deine Rechte als Azubi verletzt werden. Übermäßige Überstunden, keine Ruhezeiten oder sogar Gewalt am Arbeitsplatz – das darfst du dir nicht gefallen lassen! Wende dich unbedingt an eine Vertrauensperson, wenn dir sowas passiert. Es gibt übrigens auch die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV), die dich bei solchen Fällen unterstützen kann. Auch ein Blick in das Berufsbildungsgesetz (BBiG) lohnt sich.

Lehrjahre sind keine Herrenjahre: So kannst du kontern!

Wenn dir jemand den Spruch „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ an den Kopf knallt, bist du vermutlich erst mal perplex. Du kannst darauf aber humorvoll und höflich reagieren. Vermeide es, schnippisch oder unfreundlich zu antworten – besonders, wenn der Spruch von deinem Chef oder deiner Chefin kommt. Hier ein paar Kontersprüche, die zeigen, dass du das nicht so einfach hinnimmst:

  • „Lehrjahre sind keine Herrenjahre? – Na dann hoffe ich, dass sie mich gut darauf vorbereiten!“

Die Reaktion zeigt, dass du das Lernen ernst nimmst, aber nicht alles kritiklos hinnimmst.

  • „Was genau meinst du/meinen Sie damit?“

Damit kannst du die Person auflaufen lassen. Vielleicht merkt sie dadurch auch, wie veraltet der Spruch ist. 

  • „Dann hoffe ich, dass ich bald die spannenden Aufgaben kennenlerne!“ oder „Ich lerne gern, aber ich möchte auch die Aufgaben machen, für die ich hier bin.“

So zeigst du höflich, dass du bereit bist, auch schwierige Aufgaben zu machen. Aber halt nur die, die wirklich etwas mit deinem Beruf zu tun haben.

  • „Interessant, aber ich mache keine Ausbildung zur Küchenhilfe!“

Der Konter hat es in sich, wenn du oft mit Putzarbeiten oder Aufgaben bombardiert wirst, die nichts mit der Ausbildung zu tun haben.

  • „Gute Arbeitsbedingungen würden mich aber mehr motivieren.“

Noch eine Möglichkeit indirekt zu sagen, was dich stört.


Über die Autorin

Alicja arbeitet seit 2023 als Online-Redakteurin bei Ausbildung.de. Die besten Kontersprüche auf den Satz „Lehrjahre sind keine Herrenjahre” hat sie auf Lager.